Lobe den
Herren, den mächtigen König der Ehren,
meine geliebete Seele, das
ist mein Begehren. Kommet zuhauf,
Lobe
den Herren, der alles so herrlich regieret,
der dich auf Adelers Fittichen
sicher geführet,
der dich erhält, wie es dir
selber gefällt,
hast du nicht dieses verspüret?
Lobe
den Herren, der künstlich und fein dich bereitet,
der dir Gesundheit verliehen, dich
freundlich geleitet.
In wieviel Not hat nicht der gnädige
Gott
über dir Flügel gebreitet!
Lobe
den Herren, der deinen Stand sichtbar gesegnet,
der aus dem Himmel mit Strömen der Liebe geregnet.
Denke daran, was der Allmächtige kann,
der dir mit Liebe begegnet.
Lobe
den Herren, was in mir ist, lobe den Namen.
Alles, was Odem hat, lobe mit Abrahams Samen.
er ist dein Licht, Seele, vergiss es ja nicht.
Lobende, schließe mit Amen!
Der
in Anlehnung an Psalm 103, 2 entstandene Text des Chorals
stammt von dem nur 30 Jahre alt gewordenen Pfarrerssohn und
Pietisten Joachim Neander (* 1650 in Bremen, + 31. Mai
1680 ebenfalls in Bremen), der an der Pest gestorben ist und
in der an der Weser liegenden St. Martini-Kirche beerdigt wurde,
jener Kirche, an der er von 1679 bis 1680 als "Pastor extraordinarius",
dem die Frühpredigt im Gottesdienst morgens um 5.00 Uhr
oblag, tätig war. Eigentlich hieß er mit Nachnamen
"Neumann", aber -wie damals üblich- gräzisierte er
seinen Namen in das altgriechische Wort "Neander". Neben Latein
war in jener Zeit Altgriechisch die Gelehrtensprache. Er war
zunächst in Frankfurt/Main als Hauslehrer reicher Kaufmannsfamilien
tätig und lernte hier den Frankfurter Pfarrer und späteren
Dresdner Oberhofprediger Philipp Jacob Spener kennen, bis er
1674 Rektor der Lateinschule von Düsseldorf wurde. Ihm
zu Ehren nannte man im 19. Jahrhundert ein Tal des kleinen Flusses
Düssel bei Mettmann "Neandertal" (
"Neandertaler"). Die Melodie entstammt einem Lied aus
dem 17. Jahrhundert, das 1665 in Stralsund und 1741 in Halle/Saale
geistlich wurde. Seit 1973 gibt es eine ökumenische
Fassung des Chorals mit leicht verändertem Text
in heutigem Deutsch bei der ersten, vierten
und fünften Strophe:
1
4
5
Lobe
den Herren, den mächtigen König der Ehren;
lob ihn, o Seele, vereint mit den himmlischen Chören.
Kommet zuhauf, Psalter und Harfe wacht auf,
lasset den Lobgesang hören!
Lobe
den Herren, der sichtbar dein Leben gesegnet,
der aus dem Himmel mit Strömen der Liebe geregnet.
Denke daran, was der Allmächtige kann,
der dir mit Liebe begegnet.
Lobe
den Herren, was in mir ist, lobe den Namen.
Lob ihn mit allen, die seine Verheißung bekamen.
Er ist dein Licht, Seele, vergiss es ja nicht.
Lob ihn in Ewigkeit. Amen.
Joachim Neander
Prediger an St. Martini
1679 - 1680
Neanderfenster der St.Martini-Kirche, Bremen
(Joachim Neander an der Orgel sitzend)
Der
Choral ist auch ins Griechische, Niederländische, Polnische,
Schwedische und Tschechische übersetzt worden. Er ist somit
in ganz Europa bekannt geworden, wozu sicher auch die eingängige
Melodie beigetragen hat. J. S. Bach hat dazu eine gleichnamige
Kantate geschrieben: BWV 137. Dieser Choral wurde wie so viele
andere traditionelle Choräle in meiner Jugend noch im Konfirmandenunterricht
auswendig gelernt. Auch bei Trauungen war er ein Muss. Mit der
kirchlicherseits praktizierten Aufgabe der alten Choräle
geht wertvolles Kulturgut verloren; denn etliche von ihnen kommen
beispielsweise in den Passionsmusiken oder anderen Werken J.S.
Bachs vor, wenngleich dessen Musik auch nur noch von einem äußerst
geringen Teil der jungen Generation gekannt und geschätzt
wird. Modern sein wollende Theologen distanzieren sich vom alten
Liedgut und präferieren wegen zeitgemäßerer
Sprache Gitarre-Songs zeitgenössischer Liedermacher. Die
Vergangenheit wird ausgeblendet. Die musikalische Reminiszenz
an vergangene Generationen, die historische Kontinuität
geht verloren.
Auch
der Choral "Wunderbarer König" stammt von Joachim
Neander.
Auf die gleiche Melodie lässt sich
das Lied "Gott ist gegenwärtig" (EG 165
bzw. GL 387) singen.
Video
"Wunderbarer König"
Um
Tonüberschneidungen bei dem Video zu vermeiden, weiter
oben die Hintergrundmusik vorher mit dem Schalter abstellen.
Das
Lied des Neandertalers
Was der
Steinzeit-Mensch und eines der bekanntesten Kirchenlieder gemeinsam
haben - Von Martin Vorländer
In
der Nähe von Düsseldorf am Fluss namens Düssel lag
früher ein schmales Tal, fast einen Kilometer lang. Mit seinen
bizarren Felsen und Höhlen muss es von verwunschener Schönheit
gewesen sein. Ein junger Mann, Mitte zwanzig, liebte dieses Tal besonders.
Er hieß Joachim Neander (1650 -1680), ein hitziger evangelischer
Theologe. Er war gerade von Frankfurt nach Düsseldorf gezogen
und dort Rektor an der Lateinschule der reformierten Gemeinde geworden.
Doch Neander eckte mit seinen exklusiven Glaubensvorstellungen in
der Gemeinde an. Die normalen Sonntagskirchgänger waren in seinen
Augen keine wahren Christen. Er traf sich lieber in geschlossenen
Kreisen mit besonders frommen Gleichgesinnten.
Ein malerischer Treffpunkt für seine christlichen Zirkel war
das Tal an der Düssel. Hierhin zog sich der gebürtige Bremer
auch gerne allein zurück und komponierte. Die Landschaft inspirierte
ihn zu einem der bekanntesten Lieder, das im Evangelischen Gesangbuch
steht: "Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren"
(EG 317). Eigentlich hatte Neander das Lied zum Singen in freier Natur
gedacht. So klingt es auch: wie eine große Hymne. Die Seele
fließt über vor Dank an Gott. Alles, was in ihr ist, klingt
und singt in den Himmel hinein.*
"Lobe den Herren, der alles so herrlich regieret!" Manchem
heute ist dieses Gottesbild fremd geworden. Ist Gott wie ein König,
der "alles so herrlich regieret"? Kann ich das in meinem
Leben spüren? "Lobe den Herren, der künstlich und fein
dich bereitet, der dir Gesundheit verliehen, dich freundlich geleitet."
Wie hört oder singt das jemand, der krank ist? Was ist, wenn
ich nichts davon spüre, dass "der gnädige Gott über
dir Flügel gebreitet"?
Andererseits: Oft können sich die besonders freuen, die es besonders
schwer haben. Gerade weil sie die Klage gut kennen, sind ihre Loblieder
kein Heile-Welt-Geträllere. Sie sind Jubelrufe tiefster und höchster
Freude - trotz dem Leiden und in dem Leiden.
Neander hat dichte Worte gefunden für die Erfahrung, dass Gott
"dich auf Adelers Fittichen sicher geführet". Es gibt
aber auch die Zeiten, in denen man sich innerlich leer fühlt,
weil man auf Gott wartet, darauf, dass man seine Kraft wieder spürt.
Dann ist "Lobe den Herren" ein Lied der Sehnsucht nach Gott,
"der dir mit Liebe begegnet" und der in finsteren Tagen
"dein Licht" ist. "Seele, vergiss es ja nicht."
Joachim Neander ist nicht alt geworden. Er kehrt in seine Geburtsstadt
Bremen zurück als Hilfsprediger an der St. Martinikirche. Schon
nach kurzer Zeit erkrankt er schwer und stirbt am Pfingstmontag, 31.
Mai 1680, keine 30 Jahre alt. Die Leute haben es Joachim Neander gedankt,
dass er ihrer Gegend bei Düsseldorf durch seine Lieder ein Denkmal
gesetzt hat. Sie haben später das von ihm so sehr geliebte Tal
nach ihm benannt: Neandertal. Das Tal wurde im 19. Jahrhundert beim
Kalkabbau fast vollständig zerstört. Kurz danach, im Jahr
1856, wird dort das Skelett eines prähistorischen Menschen gefunden.
Dieser Mensch heißt nun nach dem Liederdichter und seinem Tal
"Neandertaler".
Martin Vorländer ist Pfarrer und theologischer Redakteur der
Evangelischen Sonntags-Zeitung.
(Mit freundlicher Genehmigung der Evangelischen Sonntags-Zeitung)
*In
einem anderen Lied, das J. Neander in seinem Todesjahr 1680 dichtete
und erst 1691 von Georg Christoph Strattner in einzigartiger Harmonie
mit dem Text vertont wurde, widmet sich Neander gezielt der Natur
und der Schönheit der Schöpfung:
Himmel, Erde, Luft und Meer
Video
"Himmel, Erde, Luft und Meer"
Ein ausfühliches Video zur Schöpfungsgeschichte
finden Sie auf der Seite "Trinitatis".