Der Mensch denkt, aber Gott lenkt

 

Den Älteren unter uns ist dieses Sprichwort noch bekannt, wurde es doch oft beim Eintreten plötzlicher Schicksalsschläge und in Traueranzeigen zitiert. Man wollte damit zum Ausdruck bringen, dass die menschlichen Pläne nicht immer wie erwartet in Erfüllung gehen.
Wir Menschen können noch so viel planen, die Zukunft bleibt stets ungewiss. Christen legen daher alles in die Hände Gottes. (Vgl. Psalm 31,16:
"Meine Zeit steht in deinen Händen.")

Das deutsche Sprichwort "Der Mensch denkt, aber Gott lenkt" hat seine Wurzeln in dem lateinischen Spruch "Homo proponit, sed Deus disponit", der in einem Buch zu finden ist, das lange Zeit das nach der Bibel unter Katholiken wie Protestanten gleichermaßen am meisten verbreitete Buch war. Das von dem Augustiner-Chorherren und Mystiker Thomas a Kempis (* um 1380 in Kempen am Niederrhein /NRW, † 25.7.1471 im Kloster Agnetenberg bei Zwolle /NL) in lateinischer Sprache und in Reimform verfasste, zunächst handgeschriebene Buch trug den Titel "De imitatione Christi" / "Von der (Nachahmung) Nachfolge Christi".

Die "Nachfolge Christi" stellt das Leben Jesu Christi als Vorbild dar und ermuntert unter anderem dazu, auf die Eitelkeiten der vergänglichen Welt zu verzichten. Der gereimte lateinische Spruch des Thomas von Kempen, der ein Vertreter der spätmittelalterlichen "Devotio moderna" war, lehnt sich an eine Bibelstelle des Alten Testaments an: "cor hominis disponet viam suam sed Domini est dirigere gressus eius" / liber proverbiorum 16,9 bzw. "Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg, aber der Herr allein lenkt seinen Schritt" / Sprüche 16,9

Thomas von Kempens "Nachfolge Christi" wurde schon einige Jahrzehnte nach der Erstveröffentlichung in die westeuropäischen Sprachen übersetzt. Das Sprichwort hat sich somit in ganz Westeuropa in der jeweiligen Landessprache -wie das Original- in Reimform etabliert. Im katholischen Polen ist es ebenfalls -wenn auch ohne Reim- bekannt.

In früheren Zeiten sagte man bei schweren Schicksalsschlägen manchmal den schwer zu verdauenden Satz: "Stille, stille, es war Gottes Wille", was dem Lenken Gottes entspricht. In unserer von prallem Leben erfüllten Wohlstandsgesellschaft selbstbewusster und selbtbestimmter Menschen ist wohl kaum noch jemand zu so viel Unterwürfigkeit bereit. Eine neu aufgelegte "Devotio moderna" wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt.

In Homers "Ilias" gibt es eine Parallele: Aber der Mensch entwirft, und Zeus vollendet es anders.

Dass im Leben nicht alles nach Plan verläuft, verdeutlichen noch zwei Zitate:
Wilhelm Busch: "Aber hier -wie überhaupt- kommt es anders als man glaubt."
John Lennon: "Life is what happens while you are busy making other plans."

Abschließend kann man sagen, dass der Mensch zwar gut durchdachte Pläne für die Zukunft machen kann, aber wie die Vorhaben letztendlich ausgehen, das weiß keiner. Wir stehen oft vor schwierigen Entscheidungen; ob es die richtige Entscheidung war, stellt sich leider erst viel später heraus. Das betrifft alle möglichen Lebensbereiche wie z.B. die Berufswahl, die Partnerwahl, die Entscheidung für eine bestimmte medizinische Therapie oder Operationstechnik und vieles mehr. Auch wenn man noch so viel überlegt und abgewägt hat, kann man trotzdem die falsche Entscheidung getroffen haben.

Wir Christen hoffen jedenfalls, dass wir weder im Leben noch im Tod dem Zufall oder der Laune der Natur überlassen sind, sondern auch in Zeiten der Not von Gott getragen werden.