Unglaubliche
Situationen, die man keinem Menschen wünscht
Reale Ereignisse, die auf Pressemeldungen basieren
Im
Juli 1993 kommen in einem portugiesischen Freizeitbad ein neun
Jahre alter Junge und ein gleichaltriges Mädchen in einem Freizeitbad
durch mangelnde Sicherheitsvorkehrungen ums Leben. Die Kinder sind
auf schneckenförmigen Wasserrutschen in das nur 80 cm tiefe Landebecken
gesaust und dann vor den Augen ihrer Freunde von den Umwälzpumpen
"verschluckt" worden, weil die Eingänge der Absaugrohre nicht
durch Gitter gesichert waren.
Im Juli 2000 wird
vor den Augen seines 10-jährigen Sohnes ein 37-jähriger
deutscher Bergsteiger in Tirol von einem Blitz getötet.
[Zufällige
Parallelen: a) in der Geschichte "Meine letzten Worte an Dich,..."
und b) im Leben Martin Luthers, als er von einem Besuch in Mansfeld
nach Erfurt zurückwanderte und von einem schweren Gewitter überrascht
wurde, was ihn dazu bewegte, Mönch zu werden]
Im April 2002
werden bei einem tragischen Unfall zwei auf dem Bürgersteig
gehende 11 und 13 Jahre alte Jungen von einem ausscherenden Kreiselmäher
erschlagen.
*****
Nicht weniger
belastend für Betroffene wie für Angehörige sind Situationen
von schwerer geistiger oder körperlicher Behinderung, auch als
Folge dramatischer Verkehrsunfälle. Auch ein monate- oder jahrelang
bis zum Tod andauernder Wachkoma-Zustand, bei dem der Patient zwar
wach ist, sich jedoch nicht äußern kann, stellt für
Betroffene wie für Angehörige eine starke psychische Belastung
dar.
Da fragen sich
die Menschen oft: Wie kann Gott so etwas zulassen? Diese Meinung vertritt
auch der durch die Kriegsbomben verbitterte Soldat Beckmann in Wolfgang
Borcherts Buch "Draußen vor der Tür", indem er
sagt: "Ich sage nicht "lieber" Gott, ich kenne keinen,
der ein lieber Gott ist." Und er fragt vorwurfsvoll, wo Gott
gewesen sei, als sein einjähriger Sohn durch eine Bombe ums Leben
kam.
Auch der durch das
Alte Testament und den Begriff der "Hiobsbotschaft"
bekannte Hiob, dessen Leben von
Unglück, Krankheit und Armut geprägt ist, ist von Gott
enttäuscht. Wie Borcherts Soldat Beckmann klagt er Gott massiv
an und weist alle Versuche seiner Freunde ab, die dieses Leid erklären
wollen. Er nimmt sich sogar die Freiheit, Gott zu widersprechen:
"Ich will meiner Klage freien Lauf lassen
und reden in der Betrübnis meiner Seele und zu Gott sagen: Verdamme
mich nicht! Lass mich wissen, warum du mich vor Gericht ziehst. Gefällt
dir's, dass du Gewalt tust und mich verwirfst, den deine Hände
gemacht haben und bringst der Gottlosen Vorhaben zu Ehren?" (Hiob
10, 1 - 3)
Im Gegensatz zu Beckmann hält
er an Gott fest (Vergl. hierzu den Text
von Dorothee Sölle!), wenngleich sein Vertrauen zu Gott
stark erschüttert ist, weil er auf seine Frage keine Antwort
bekommt. *
*Der Schweizer Psychoanalytiker
Carl Gustav Jung (1875 - 1961) hat dem biblischen Hiob ein
ganzes Buch gewidmet, das den Titel "Antwort
auf Hiob" trägt. Er deutet Hiob
psychologisch, nimmt Gott als reale Person und sagt -für viele
in blasphemischer Weise-, Hiob decke die Tatsache auf, dass Gott sich
mit sich selbst in Widerspruch befinde. Bei dieser Sicht der Dinge
geht Hiob als der Sieger hervor. Und für C.G.Jung ist der später
in die Welt gesandte Christus Gottes Antwort auf Hiob.
Ich schreie zu dir, aber du antwortest mir nicht;
ich stehe da, aber du achtest nicht auf mich.
(Hiob 30, 20)
Hier eine Geschichte, die das bisher Gesagte anschaulich
vertieft:
Meine letzten Worte an Dich, mein zorniger Gott
Als
1944 das Warschauer Getto in Flammen stand und die brennenden Häuser
zu Gräbern wurden, erinnert sich kurz vor seinem Tod ein jüdischer
Mann einer alten Geschichte. Er
erzählt diese Geschichte, um im eigenen Leid an Gott und der
Welt nicht verzweifeln zu müssen.
Mein
Rabbi hat mir oft eine Geschichte erzählt von einem Juden,
der mit Frau und Kind der spanischen Inquisition entflohen ist und
über das stürmische Meer in einem kleinen Boot zu einer
steinigen Insel trieb. Es kam ein Blitz und erschlug die Frau. Es
kam ein Sturm und schleuderte sein Kind ins Meer. Allein, elend
wie ein Stein, nackt und barfuß, geschlagen von Sturm und
geängstigt von Donner und Blitz, mit verwirrtem Haar und die
Hände zu Gott erhoben, ist der Jude seinen Weg weitergegangen
auf der wüsten Felseninsel und hat zu Gott gesagt:
"Gott
von Israel - ich bin hierher geflohen, um Dir ungestört dienen
zu können, um Deine Gebote zu erfüllen und Deinen Namen
zu heiligen: Du aber hast alles getan, damit ich nicht an Dich glaube.
Solltest Du meinen, es wird Dir gelingen, mich von meinem Weg abzubringen,
so sage ich Dir, mein Gott und Gott meiner Väter: Es wird Dir
nicht gelingen. Du kannst mich schlagen, mir das Beste und Teuerste
nehmen, das ich auf der Welt habe. Du kannst mich zu Tode peinigen
- ich werde immer an Dich glauben. Ich werde Dich immer lieb haben
- Dir selbst zum Trotz!
Und
das sind meine letzten Worte an Dich, mein zorniger Gott: Es
wird Dir nicht gelingen! Du hast alles getan, damit ich nicht an
Dich glaube, damit ich an Dir verzweifle! Ich aber sterbe, genau
wie ich gelebt habe, im felsenfesten Glauben an Dich.
Höre,
Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige ist einig und einzig!"
Quelle:
Almanach für Theologie und Literatur, Band 2, hrsg. von Dorothee
Sölle (),
P.Hammer-Verlag, Wuppertal
Durch
solche Ereignisse, wie sie oben wiedergegeben sind, ändert
sich schlagartig unser Leben und unser Lebensgefühl. Das Leben
wird fundamental erschüttert und es wird auch niemand behaupten
können, dass solche Erlebnisse nicht Zweifel an Gott aufkommen
lassen. Das ist allzu menschlich.
Wohl dem aber, der nicht völlig
verzweifelt und das Gottvertrauen trotzdem behält (wie der
Jude in der oben stehenden Geschichte) und vielleicht Menschen hat
oder findet, die ihm wie Engel
zur Seite stehen.
Nicht
unerwähnt bleiben sollte, dass es übrigens auch Menschen
gibt, die durch harte Schicksalsschläge erst zum
Glauben gefunden haben.