O Tannenbaum, o Tannenbaum

Gemälde von Heinrich Berbig
Das nostalgische Bild aus alter Zeit zeigt die Bescherung der Kinder einer großen Familie an einem Heiligabend. Während der Junge im Bildvordergrund ganz mit dem Reiten auf seinem hölzernen Schaukelpferd beschäftigt ist, blicken die vor dem Vater stehenden beiden Mädchen mit leuchtenden Augen auf den festlich geschmückten Weihnachtsbaum, von dessen brennenden Kerzen ein warmes Licht den Raum durchströmt. Auch das von der Mutter getragene Kleinkind blickt in Richtung Tannenbaum. Auf dem links stehenden Tisch und unter dem Christbaum sind die Geschenke zu sehen, die das Christkind gebracht hat: eine große Puppe und aus Holz gefertigtes Spielzeug wie eine Puppenwiege, ein Viehstall und eine Eisenbahn - eben die klassischen Weihnachtsgeschenke der guten alten Zeit. Beinahe zu übersehen ist das im Hintergrund stehende Klavier, auf dem ein Mädchen Weihnachtslieder spielt; denn das eigene häusliche Musizieren gehörte in jener Zeit fast obligatorisch dazu.


O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie treu (grün) sind deine Blätter!
Du grünst nicht nur zur Sommerzeit, nein, auch im Winter, wenn es schneit.
O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie treu (grün) sind deine Blätter!
O Tannenbaum, o Tannenbaum, du kannst mir sehr gefallen!
Wie oft hat nicht zur Weihnachtszeit ein Baum von dir mich hoch erfreut!
O Tannenbaum, o Tannenbaum, du kannst mir sehr gefallen.
O Tannenbaum, o Tannenbaum, dein Kleid will mich was lehren:
Die Hoffnung und Beständigkeit gibt Mut und Kraft zu jeder Zeit!
O Tannenbaum, o Tannenbaum, dein Kleid will mich was lehren.



Lichterbaum in dunkler Nacht



Ernst Anschütz

Ernst Anschütz wurde 1780 in Goldlauter (Thüringen) als Sohn eines Pfarrers geboren und starb 1861 in Leipzig. Er war Lehrer, Organist, Dichter und Komponist von Kinder- und Volksliedern. So schrieb er beispielsweise die Kinderlieder "Fuchs, du hast die Gans gestohlen", "Wenn ich ein Vöglein wär" oder "Es klappert die Mühle am rauschenden Bach". Sein berühmtestes Lied wurde allerdings "O Tannenbaum".
Auf Wunsch seines Vaters studierte er zunächst Theologie, promovierte aber schließlich im Fach Philosophie. Er konnte fünf Instrumente spielen: Klavier / Orgel, Violine, Cello und Klarinette. 1809 wurde er in die Freimaurerloge "Apollo" aufgenommen. Er pflegte Beziehungen zu Anton Philipp Reclam und zu Musikern des Leipziger Gewandhausorchesters.
"O Tannenbaum" war ursprünglich ein von dem Pädagogen und Prediger August Zarnack (1777 - 1827) geschriebenes Liebeslied, das wiederum auf das alte schlesische Volkslied "Ach Tannenbaum" aus dem 16. Jahrhundert zurückgriff. Anschütz hat die erste Strophe des Lieds beibehalten und in seiner Wahlheimat Leipzig im Dezember 1824 zwei weitere Strophen hinzugedichtet.

Man kann sagen, dass "O Tannenbaum" wie "Stille Nacht" zu einem Welthit wurde.
Englisch
O Christmas Tree, o Christmas Tree
How lovely are your branches!
Your boughs so green in summertime,
stay bravely green in wintertime.
Französisch
Mon beau sapin, roi des forêts
que j'aime ta verdure.
Quand par l'hiver, bois et guérets
sont dépouillés de leurs attraits.
Italienisch
O albero, o albero, risplendi nella notte
Spanisch
Qué verdes son, qué verdes son, las hojas del abeto
Niederländisch
O dennenboom, o dennenboom, wat zijn uw takken wonderschoon


Eine althergebrachte und äußerst beliebte Tradition ist es, zu Weihnachten einen Christbaum bzw. Weihnachtsbaum aufzustellen. Er ziert Straßen, Marktplätze, Kirchen und Wohnzimmer gleichermaßen und bringt Licht in das winterliche Dunkel des Dezembers. Seinen Ursprung soll er in dem mittelalterlichen geistlichen Schauspiel vom Paradiesbaum haben, das die Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies darstellte und am 24. Dezember in den Kirchen aufgeführt wurde. Licht und Immergün sind die wesentlichen Eigenschaften des Weihnachtsbaumes.
Schon lange Zeit bevor es den Christbaum gab, stellte man zu Weihnachten Lichter auf, um Geister abzuwehren, an die man in alter Zeit noch glaubte. Eine Parallele mit gleichem Ziel ist der Brauch des Böllerschießens an Silvester. Als immergüne Pflanzen kamen neben Tannenzweigen auch Buchsbaum, Eibe und Stechpalme in Frage. Sie galten bei den heidnischen Germanen als Symbol ewiger Lebenskraft.
Irgendwann kam man auf die Idee, ganze Tannenbäume im Haus aufzustellen. Allerdings waren sie noch ungeschmückt und wurden an der Decke der Zimmer aufgehängt, weil man dort den Aufenthaltsort von Geistern vermutete. Aber das ist ja nun schon lange her.
Auch waren die Bäume noch nicht mit Kerzen geschmückt. Am Anfang des 17. Jahrhunderts hängte man Papierrosen und vor allem für die Kinder Gebäck, Äpfel, Nüsse und Zuckerzeug zum Naschen daran. Goldglänzender Flitter aus dünnen Metallplättchen, sogenanntes Zischgold ließ den Baum fe
stlich erstrahlen.
Um das Jahr 1700 kamen dann die ersten Lichterbäume auf. Wohlhabende Familien hatten sogar mehrere verschieden große Bäume im Zimmer stehen - für den Vater, die Mutter und die Kinder, wobei das jüngste Kind den kleinsten Baum bekam. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts ging man dazu über, den Baum mit Glaskugeln und industriell gefertigtem Lametta zu schmücken. Nach einer Legende sollen die farbigen Christbaumkugeln im Jahr 1847 die Idee eines armen Lauschaer Glasbläsers gewesen sein, der sich keine teuren Äpfel und Nüsse leisten konnte. Noch heute wird in der Stadt Lauscha (Thüringen) gläserner Christbaumschmuck von Glasbläsern hergestellt. Einen größeren Seltenheitswert hat der sehr schöne Filigran-Christbaumschmuck, den es -wie auch den Glasschmuck- nicht nur als Kugeln gibt, sondern auch in anderen Formen wie beispielsweise Sternen, Glöckchen und mehr.

Glaskugel
Filigranschmuck

Das Lametta als Symbol für Eiszapfen war jedoch schon 1610 in Nürnberg erfunden worden.

Der Christbaum war in der ersten Zeit nur bei den evangelischen Christen zu finden, in katholisch geprägten Gegenden Deutschlands wie z.B. in Bayern oder im Kölner Raum war das Aufstellen von Krippen verbreitet. Den Tannenbaum mit seinen immergrünen Nadeln sah man von kirchlicher Seite zunächst nicht gern, weil er mehr oder weniger heidnischen und nicht christlichen Ursprungs war. Schließlich kam man auf die Idee, ihn mit Engeln und dem Stern von Bethlehem zu schmücken, womit dann eine Verbindung zum christlichen Glauben und somit eine Akzeptanz hergestellt war.
Der Weihnachtsbaum war bald so beliebt, dass er auch in den katholischen Gegenden und Kirchen Deutschlands aufgestellt wurde. Heute steht in der Weihnachtszeit sogar ein riesengroßer Christbaum vor dem Petersdom in Rom. Im europäischen Ausland hielt er erst später Einzug, ist aber heute dort auch nicht mehr wegzudenken. Schon seit mehr als 50 Jahren gibt es auch künstliche Weihnachtsbäume und elektrische Kerzen statt Wachskerzen.
Das Schmücken des Baums erfolgt alljährlich oft mehr oder weniger nach einem bestimmten Ritual - je nach Familientradition. In der Regel holt der Vater den Baum und stellt ihn auf, während die Mutter den Baum schmückt, oder alle schmücken ihn gemeinsam. Natürlich gibt es auch Abweichungen von diesem Handlungsablauf.
Für kleine Kinder war die Vorweihnachtszeit immer eine Zeit des ungeduldigen Wartens auf das Christkind, bis schließlich auf dem Adventskalender das 24. Türchen geöffnet werden konnte und Heiligabend war. Die letzten Stunden vergingen viel zu langsam und die Erwartungsspannung steigerte sich von Stunde zu Stunde, bis endlich ein Glöckchen läutete und die Kinder das Weihnachtszimmer betreten durften, um nachzusehen, was ihnen das Christkind nach seinem Verschwinden an Geschenken unter den festlich geschmückten Weihnachtsbaum gelegt hatte. Vom Christ(us)kind wird -wie es früher in Deutschland üblich war- heute allerdings kaum noch gesprochen. Es wurde unter dem amerikanischen Einfluss der Nachkriegszeit in den letzten Jahrzehnten zunehmend durch den anglo-amerikanischen Trend mit Santa Claus und den Rentieren ersetzt.



Wohnzimmer mit dekorativem Weihnachtsbaum


Mittelschiff einer kath. Kirche mit riesigem Lichterbaum


Hier noch ein Lied aus dem 19. Jahrhundert,
das auch den Christbaum zum Thema hat:


Der Christbaum ist der schönste Baum,
den wir auf Erden kennen.
Im Garten klein*, im engsten Raum,
wie lieblich blüht der Wunderbaum,
||: wenn seine Lichter brennen, :||
ja brennen.


Denn sieh, in dieser Wundernacht
ist einst der Herr geboren,
der Heiland, der uns selig macht.
Hätt er den Himmel nicht gebracht,
||: wär alle Welt verloren :||
verloren.





Im Garten klein


Mit "Garten klein" in der ersten Strophe ist kein Garten in der freien Natur gemeint, sondern ein kleiner, niedriger Lattenzaum, der um den unteren Teil des Christbaums aufgestellt wurde, um damit den Eindruck eines echten eingezäunten Gartens zu erwecken. Dass der Wunderbaum "blüht " ist wohl darauf zurückzuführen, dass der Baum zu der Zeit, als das Lied entstanden ist, noch mit Papierblumen geschmückt wurde.

 Copyright © Wolfgang Jakupka